Die Entscheidung für den Wechsel des Krankenhausinformationssystems (KIS) ist gefallen. Doch was genau bedeutet ein KIS für unsere Organisation? Rein technische betrachtet ist es eine softwarebasierte Plattform zur Verwaltung und Unterstützung aller administrativen, medizinischen und organisatorischen Abläufe in einem Krankenhaus. Das KIS integriert Patientendaten, Ressourcenplanung und Abrechnungssysteme, ermöglicht eine nahtlose Kommunikation zwischen Abteilungen und externen Partnern und sorgt für eine effiziente Dokumentation sowie Entscheidungsunterstützung. Durch seine umfassenden Funktionen verbessert es die Behandlungsqualität, optimiert Arbeitsprozesse und gewährleistet die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, einschließlich Datenschutz und IT-Sicherheit.
Doch hierin liegt bereits die erste große Herausforderung, denn bereits die Auswahl der geeigneten Plattform ist ausschlaggebend. In diesem Zusammenhang sind strategische Überlegungen von entscheidender Bedeutung für die gesamte Organisation und das Eco-System Krankenhaus. Die Selektion passenden Ansatz aus Best-of-Breed, Best-of-Suite oder Monolith ist von maßgeblicher Bedeutung für das spätere Transformationsprojekt in dessen Umsetzung.
Ein interoperabler Best-of-Breed-Ansatz ermöglicht Krankenhäusern die Integration spezialisierter Softwarelösungen verschiedener Anbieter, die jeweils auf spezifische Bereiche wie Patientenakten, Radiologie oder Abrechnung optimiert sind.
Im Gegensatz dazu bietet ein monolithischer Ansatz ein einziges, umfassendes System aus einer Hand, das zwar vollständig integriert ist, aber oft weniger flexibel auf individuelle Anforderungen oder technologische Entwicklungen reagiert.
Der Best-of-Suite-Ansatz kombiniert mehrere Module eines Herstellers, die besser integriert sind als Best-of-Breed-Lösungen, jedoch oft nicht die Tiefe und Innovationskraft einzelner Speziallösungen erreichen. Der interoperable Ansatz maximiert Flexibilität und Innovation, erfordert jedoch eine stärkere Steuerung der Schnittstellen und Standards und vor allem eine stetige Kontrolle der zu erreichende Ziele aus Sicht der Gesamtorganisation.
In der Stakeholder-Frühphase, die als Basis für den Erfolg eines KIS zu betrachten ist, zeigt sich die Relevanz der frühzeitigen Einbindung interner Stakeholder. Das KIS betrifft alle Abteilungen eines Krankenhauses, nämlich den ärztlichen Dienst, den Pflegedienst, die Verwaltung und nicht zuletzt auch die IT. Werden die Anforderungen jedoch lediglich aus einer rein technischen Perspektive betrachtet, bleiben die spezifischen Bedürfnisse der Fachabteilungen unberücksichtigt, was schwerwiegende Konsequenzen für das spätere Einführungsprojekt haben kann. Eine zu starke Betrachtung der fachlich/inhaltlichen Bedürfnisse hat jedoch den identischen Effekt. Hier gilt es, einen zielführenden Mittelweg zu beschreiten, der sowohl die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt als auch praktikabel bleibt.
Schlüsselprinzipien zur Anforderungsdefinition
Zielgerichtete Anforderungen definieren: Die Plattform soll die Arbeit erleichtern, nicht erschweren. Nur die Menschen, die täglich mit den Prozessen arbeiten, können beurteilen, welche Anforderungen das System fachlich erfüllen soll bzw. zwingend erfüllen muss. Frühzeitige Workshops und Evaluationsrunden legen die Basis.
Prozessorientierung statt Funktionsvergleich: Ein KIS muss die komplexen Krankenhausprozesse von Dokumentation bis Abrechnung unterstützen. Dies erfordert eine detaillierte Analyse der Abläufe und deren Abgleich mit den Systemmöglichkeiten.
Die Schaffung von Akzeptanz stellt eine große Herausforderung dar, da Widerstand der Nutzer zu erwarten ist. Die frühzeitige Einbindung der Fachabteilungen signalisiert Wertschätzung und stärkt das Vertrauen der Organisation. Regulatorische Anforderungen, wie die der DSGVO, die Medical Device Regulation (MDR) sind durch ein geeignetes Compliance-Management von Anfang an interdisziplinär zu bewerten.
Die Projektorganisation ist ein Schlüsselfaktor für den Projekterfolg. Neben der Einbindung der richtigen Akteure ist die Projektorganisation ein entscheidender Faktor. Ohne klare Strukturen, Rollen und Verantwortlichkeiten geraten selbst die besten Ideen ins Stocken.
Die Grundsätze der Projektorganisation sind wie folgt:
Interne Steuerung - Die Verantwortung muss in der Organisation liegen, da diese ihre Prozesse am besten kennt.
Klare Rollen - Eine definierte Governance mit Entscheidungswegen und Eskalationsebenen verhindert Reibungsverluste.
Interne Projektleitung - Eine Doppelspitze, die sich aus einer kombinierten Projektleitung aus fachlicher und technischer Perspektive zusammensetzt, berücksichtigt alle Dimensionen gleichermaßen. Die Kommunikation der Vision und Ziele ist essenziell, damit alle Beteiligten die Projektziele und deren Auswirkungen verstehen und gemeinsam daran arbeiten können.
Für die Auswahlphase gilt es, bestimmte Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen, damit der Wechsel des Krankenhausinformationssystems gelingt und somit sollten bereits im Auswahlprozess folgende Prinzipien beachtet werden:
Die Bildung interdisziplinärer Teams ist essenziell, um alle relevanten Perspektiven – ärztlicher Dienst, Pflege, Verwaltung und IT – zu vertreten.
Die Durchführung von Workshops und Testläufen ermöglicht es den Endanwendern, potenzielle Systeme in einer realitätsnahen Umgebung zu evaluieren.
Die Entwicklung klarer Bewertungsmatrizen, welche technische, prozessuale und regulatorische Anforderungen abdecken, ist von elementarer Bedeutung für den Auswahlprozess.
Die frühzeitige Planung eines Change-Management-Konzepts zur Einbindung und Schulung der Endanwender ist ebenfalls von hoher Relevanz.
Die Projektsteuerung ist intern zu verankern und durch externe Expertise zu unterstützen, ohne die interne Steuerung zu dominieren.
Fazit: Ein KIS-Wechsel ist nicht nur eine technische Herausforderung, sondern ein Transformationsprozess, der die gesamte Organisation und ihre Prozesse nachhaltig, unter Umständen auch disruptiv beeinflusst. Der Erfolg dieses Prozesses beginnt bei der Auswahl der richtigen Plattform und hängt von einer frühzeitigen Einbindung der Stakeholder, einer klaren Projektorganisation und einer prozessorientierten Anforderungsanalyse ab. Eine durchdachte Vorgehensweise sowie eine klare Governance-Struktur sind essenziell, um den Wechsel reibungslos und zukunftssicher umzusetzen.