Unsere Gesundheitsversorgung ist ohne die zentrale Funktion von Krankenhäusern nicht denkbar. Mit der zunehmenden Digitalisierung hat sich die Abhängigkeit von IT-Systemen und effizient gesteuerten digitalen Prozessen deutlich erhöht. Hinzu kommt der wachsende Mangel an Fachkräften, der durch aktuelle und zukünftige demografische Entwicklungen weiter verschärft wird. Diese Herausforderung unterstreicht die Notwendigkeit, digitale Prozesse nicht nur effizient, sondern auch ressourcenschonend zu gestalten, um Arbeitsabläufe zu optimieren und die vorhandenen personellen Kapazitäten bestmöglich zu nutzen.
Diese Entwicklung eröffnet enorme Chancen, bringt jedoch auch erhebliche Risiken mit sich. Ein durchdachtes Business Continuity Management (BCM) wird in diesem Kontext zu einem entscheidenden Faktor, um die Patientensicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig rechtliche, wirtschaftliche sowie betriebliche Risiken zu minimieren.
Herausforderungen nach dem KHZG-Förderzeitraum
Die Investitionen aus dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) haben den digitalen Reifegrad vieler Einrichtungen – abhängig von der zugrunde liegenden Strategie – erheblich vorangebracht. Diese Fortschritte bringen jedoch auch neue Anforderungen mit sich: Die zunehmende Abhängigkeit von digitalisierten Prozessen macht eine konsequente Sicherstellung von Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit dieser Systeme unabdingbar, insbesondere für die Kolleginnen und Kollegen an der vordersten Front. Die Sicherheit der Patienten ist untrennbar mit der Sicherheit ihrer Daten und der Verfügbarkeit von IT-Systemen verbunden. Cyberangriffe, IT-Ausfälle oder Datenverluste können lebensbedrohliche Folgen haben, indem sie Diagnose- und Behandlungsprozesse unterbrechen. BCM ist daher kein „Nice-to-have“, sondern eine essenzielle Grundlage, um die Integrität, Vertraulichkeit und Verfügbarkeit kritischer Informationen selbst in Krisensituationen zu gewährleisten.
Ein wirksames BCM stellt sicher, dass Kliniken auch nach dem KHZG-Förderzeitraum in der Lage sind, IT-Ausfälle zu kompensieren und den Betrieb trotz Krisen aufrechtzuerhalten. Es schützt nicht nur die Infrastruktur, sondern auch die Investitionen, die mit der Digitalisierung einhergehen.
BCM ist keine Frage der Bettenanzahl oder der Versorgungsebene. Ob kleine Einrichtungen mit wenigen Betten oder große Maximalversorger – die Herausforderungen durch Cyberangriffe, IT-Störungen oder Versorgungsengpässe betreffen alle gleichermaßen. Es geht darum, Handlungsfähigkeit in Krisen zu sichern, denn im Ernstfall zählt die Vorbereitung, nicht die Größe der Organisation.
Haftungsrisiken für die Geschäftsführung
Ein besonders oft unterschätzter Aspekt: BCM ist kein alleiniges Thema für die IT-Leitung. Die Verantwortung für eine wirksame Krisenvorsorge liegt bei der Geschäftsführung.
Im Rahmen des Organisationsverschuldens (§ 130 OWiG) kann die Geschäftsführung persönlich haftbar gemacht werden, wenn durch mangelnde Vorsorge oder unzureichende Sicherheitsmaßnahmen Schäden entstehen. Darüber hinaus verpflichten gesetzliche Regelungen wie die NIS2-Richtlinie oder der B3S-Standard die Geschäftsführung, Risiken frühzeitig zu bewerten und geeignete Maßnahmen umzusetzen.
Die Anforderungen reichen von der Sicherstellung der IT-Sicherheit bis hin zu strategischen Maßnahmen der Krisenbewältigung. Ein robustes BCM reduziert nicht nur die Wahrscheinlichkeit von Betriebsunterbrechungen, sondern schützt auch die Geschäftsführung vor haftungsrechtlichen Konsequenzen – sei es im Rahmen von § 823 BGB (Schadensersatzpflicht) oder § 93 AktG (Sorgfaltspflichten der Geschäftsleitung).
Compliance als Schlüsselmotivator für BCM
Regulatorische Vorgaben für kritische Infrastrukturen (KRITIS) machen deutlich, dass BCM längst kein optionales Instrument mehr ist. Neben den rechtlichen Pflichten betonen diese Standards die Bedeutung einer engen Verzahnung von IT-Sicherheit, Risiko- und Krisenmanagement.
Die Umsetzung dieser Maßnahmen erfordert eine integrierte, organisationsübergreifende Strategie, die die gesamte Einrichtung einbindet – von der IT-Abteilung bis zur Geschäftsleitung.
BCM versus Ausfallkonzepte: Warum der Unterschied entscheidend ist
In vielen Einrichtungen wird die Vorbereitung auf Krisensituationen auf rudimentäre Ausfallkonzepte reduziert. Diese beinhalten oft „digital ausgedruckte PDF-Extrakte“, die auf Visitenwagen bereitgehalten werden, um im Falle eines IT-Ausfalls zumindest grundlegende Informationen verfügbar zu machen sollen.
Ein solches Vorgehen kann kurzfristig helfen, ist jedoch bei weitem kein Ersatz für ein umfassendes BCM im Sinne der gesetzlichen Anforderungen. Reaktive Notfallkonzepte beschränken sich auf einfache Workarounds wie Papierdokumentation und sind häufig schlecht integriert, statisch und nur für einzelne Szenarien gedacht. Diese Konzepte ignorieren oft die Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Systemen und Prozessen.
Das Business Continuity Management geht weit darüber hinaus. Es umfasst eine ganzheitliche Analyse und Planung, die alle kritischen Prozesse, Systeme und Ressourcen berücksichtigt. BCM entwickelt Szenarien, testet Reaktionen in realitätsnahen Übungen und stellt sicher, dass die gesamte Organisation im Krisenfall handlungsfähig bleibt. Es schafft Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, wo reine Ausfallkonzepte starr und unzureichend sind.
Ein BCM unterscheidet sich also nicht nur durch den Umfang, sondern durch seinen strategischen Ansatz. Es ist kein „Plan B“, sondern ein integraler Bestandteil des Klinikbetriebs, der sicherstellt, dass alle relevanten Prozesse – von der IT über Logistik bis hin zur medizinischen Versorgung – resilient aufgestellt sind.
Fazit: BCM als unverzichtbare Grundlage für die Resilienz moderner Krankenhäuser
Business Continuity Management (BCM) bietet weit mehr als ein reaktives Ausfallkonzept: Es ist ein strategischer Ansatz, der die gesamte Organisation befähigt, auch in Krisensituationen handlungsfähig zu bleiben.
Ein durchdachtes BCM sichert nicht nur die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit kritischer IT-Systeme und Prozesse, sondern schützt die Patientensicherheit und die wirtschaftliche Stabilität der Einrichtungen. Gleichzeitig minimiert es haftungsrechtliche Risiken für die Geschäftsführung und erfüllt zentrale Vorgaben aus gesetzlichen Regelungen wie NIS2 bzw. B3S.
Im Vergleich zu einfachen Notfallkonzepten geht BCM weiter: Es verbindet integrierte Planung, realitätsnahe Tests und kontinuierliche Anpassung, um Flexibilität und Resilienz in einem dynamischen Umfeld zu gewährleisten. BCM ist kein „Nice-to-have“, sondern ein Muss – unabhängig von Bettenanzahl oder Versorgungsebene.
Die Zukunft der Gesundheitsversorgung verlangt ein ganzheitliches, verantwortungsbewusstes und rechtskonformes Krisenmanagement. Die Implementierung eines robusten BCM ist der Schlüssel, um Patienten, Personal und die Infrastruktur gleichermaßen zu schützen und die Handlungsfähigkeit deutscher Krankenhäuser dauerhaft zu sichern.